Dieses Blog soll sich von den meisten anderen wesentlich unterscheiden und nicht noch eine sinnfreie Seite im Internet sein. Die Sinnhaftigkeit bzw. das Wesen ist jedoch mit den Erscheinungen auf eine bestimmte Art verbunden. Dabei handelt es sich um eine der grundlegendsten Themen der Philosophie: Wesen und Erscheinung.
Alle Dinge treten vor uns in ihrer Erscheinung und nicht in ihrem Wesen. Menschen, Gegenstände, Prozesse etc. sind erstmal nur von ihrem Äußeren erfahrbar. Beispielsweise weiß man ja nicht sofort, ob ein bestimmter Werkstoff vom Wesen her zu den Erd-Alkalimetallen oder zu den Halogenen gehört, wenn man diesen Werkstoff nur mit den Augen sieht. Seine Erscheinung kann sehr vielfältig sein und sagt alleine noch nichts über das Wesen aus. Ich unterscheide dabei zwischen direkten (z.B.: Geruch, Farbe, Rauheit, usw.) und indirekten (z.B.: Schmelzpunkt, Magnetismus, Dichte, usw.) Erscheinungen. Letztere sind nur mit Hilfe von Messmitteln und/oder anderen Objekten zu ermitteln. (Nach neuerer Erkenntnis gibt es wohlmöglich noch viel mehr (bzw. unendlich viele?) Abstufungen von Erscheinungen.)
Also: Wesen und Erscheinung sind nicht identisch. Was wäre, wenn das Wesen und die Erscheinung identisch wären? Dann bräuchten wir keine Wissenschaft mehr, weil wir dann ja alles sofort erkennen (im Sinne der Erkenntnistheorie) könnten. Auch der Volksmund kennt darüber einen Spruch: „Nicht alles, was glänzt, ist Gold.“ Gerade die Nicht-Identität von Wesen und Erscheinung führt eben dazu, dass Wissenschaft und Forschung überhaupt existieren können.
Aber es muss doch einen Zusammenhang zwischen Wesen und Erscheinung geben, denn sonst wäre wesentliche Erkenntnis gar nicht möglich, da es keinen direkten Zugang zum Wesen gibt. Doch durch die Erforschung der Erscheinungen und deren Wechselwirkung ist es möglich, Stück für Stück zum Wesen vorzudringen. Was meine ich damit? Bleiben wir mal bei den Werkstoffen: Beispielsweise erscheint Natrium weich und würde bei Betrachtung dieser einzelnen Erscheinung eher nicht zu den Metallen gezählt werden. Erst weitere (indirekte) Erscheinungen wie die elektrische Leitfähigkeit und Wärmeleitfähigkeit (Wechselwirkungen mit anderen Elementen) weisen zur Kategorie „Metall“ hin. Und letztlich die Erkenntnis, dass Natrium nur ein Elektron in seiner Valenzschale (äußersten Atomschale) besitzt, macht das Wesen dieses Stoffes klar: Es handelt sich um ein Alkalimetall. (Natürlich muss man die Existenz von dem Wesen Alkalimetall schon kennen, aber diese ergibt sich wiederum durch die Analyse von Erscheinungen. Der Erkenntnisprozess läuft immer von den Teilen zum Ganzen und wieder zurück – in Wechselwirkung bzw. dialektisch!)
Das bedeutet im Allgemeinen, dass z.B. durch empirische Untersuchungen (hier: Beobachten, Messen) Erkenntnisse zum Wesen einer Sache erlangt werden können. Dabei ist wichtig, dass man die Erscheinung nicht auf eine einzelne Eigenschaft reduziert, sondern (wie oben im Beispiel gesehen) als ein Kollektiv mit Wechselwirkungen betrachtet. Das zu verstehen ist wichtig, weil beispielsweise ein glänzender Stoff (eine Erscheinung) keine hinreichende Bedingung dafür ist, dass es sich um ein Metall mit metallischem Glanz handelt.
Wesen und Erscheinung sind eine wichtige Kategorie, deren Erkenntnis auch viel im Alltag hilft (zB hier).
Nachtrag: U.a. in den Neurowissenschaften wird oft das Problem der unterschiedlichen Wahrnehmung diskutiert. Viele sog. Konstruktivisten zerbrechen sich den Kopf über die Wirklichkeit, dabei beachten sie wiederum nicht den Unterschied zwischen Wesen und Erscheinung. Sie fokussieren nur auf die Erscheinungen der Dinge, die auf jeden anders wirken und schließen daraus, dass auch das Wesen der Dinge für jeden Menschen anders sein müsse. Bsp.: „Ist mein blau, dein blau?“ Antwort: Nein, aber das ist nicht wesentlich. Wesentlich ist, dass die Farbe Blau, unabhängig vom Menschen, eine Wellenlänge von ca. 450 nm hat.